Warum die Grünen für ein neues Rathaus in der Innenstadt sind

Warum das neue Rathaus als Ort der Demokratie ins Zentrum der Stadt gehört und was Neustadt am Rübenberge von Barcelona und Paris lernen kann, beschreibt unser Mitglied Katrin Schuh in einem Leserbrief, den wir unterstützen.

Demokratien sind grundsätzlich langsamer als autoritäre Systeme, in denen im Handstreich von Einzelnen über die Geschicke von Menschen entschieden wird. Diese Langsamkeit müssen wir im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Bürgerentscheid akzeptieren. Darin besteht zugleich die Chance, dass alle sich gehört fühlen und mit der Maßnahme besser identifizieren können. Wesentlich ist, dass am Ende eine gute Entscheidung heraus kommt, über die noch einmal gestritten werden wird. 

Kaum würde es den Bürgern im Neustädter Land einfallen, in einem Bürgerentscheid dafür zu stimmen, dass das neue Rathaus beispielsweise im Ortsteil Nöpke neu errichtet werden solle, weil dort die Grundstückspreise so günstig sind. Was kostengünstig ist, führt nicht immer zum Ziel. Es ist anerkannte Praxis im Rahmen von Stadtentwicklung strategische Investitionen zu tätigen, die als Impuls für Entwicklungen dienen sollen. In Barcelona gab es ein großes Stadtplatzprojekt. Um diese attraktiven Plätze herum wurde sodann in Häuser investiert. In Paris wurden in der Zeit von Francois Mitterand einige kostspielige und zugleich imposante Projekte für öffentliche Gebäude umgesetzt, die „grand projects“ mit der neue Nationalbibliothek, der Oper am Place de la Bastille, etc. Diese Projekte verleihen der Stadt und einzelnen Quartieren eine besondere Ausstrahlung, dienen der Lebensqualität der dort lebenden Menschen und ziehen – das ist der Punkt – private Investitionen nach sich. Paris ist auch deshalb ein beliebtes touristisches Ziel.

Neustadt ist nicht Barcelona oder Paris. Aber auch hier gilt, dass Investitionen strategisch klug platziert werden müssen, damit die daraus resultierenden Entwicklungen einen Mehrwert für die Stadt mit sich bringen. Bei einem Rathausstandort in Nöpke und auch am alten Standort wäre dafür wenig Potenzial. Die Verknüpfung des Rathausprojektes mit der dringend notwendigen Innenstadtentwicklung erzeugt Synergien. Dass man also zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, ist ein sehr ökonomisches Vorgehen. Die dabei neu entstehende Achse vom neuen ZOB über den neuen Torbau zum neuen Rathaus bis hin zur Liebfrauenkirche verbindet dann die „grand projects“ von Neustadt, die der Ausstrahlung und Anziehungskraft der Stadt dienen und Impuls für weitere Investitionen und Entwicklungen sein sollen. Zudem hat das Neustädter Rathaus Funktionen zu erfüllen. Es muss beispielsweise für alle Menschen gut erreichbar sein, auch wenn diese öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Angesichts sich verändernder Mobilitätskonzepte ist dieses vermehrt zu erwarten. Nicht zuletzt steht das Rathaus für eine der wesentlichsten Grundlagen unseres gesellschaftlichen Lebens, die Demokratie. Um diese Errungenschaft in der heutigen Zeit im Blick zu behalten, gehört das Rathaus selbstredend in die Innenstadt. Stadtentwicklung in Neustadt muss im Ranking zwischen wachsenden Regionen und solchen, die zunehmend abgehängt sind, seine Stellung behaupten. Denn nur dann werden die Menschen weiterhin hier wohnen, ihre Steuern zahlen und zum allgemeinen Wohlergehen beitragen. Nicht mehr und nicht weniger steht bei der Wahl des Standortes vom neuen Rathaus auf dem Spiel.

Wenn also der Bürgerentscheid nach den Sommerferien durchgeführt wird, dann wäre vorab eine sachorientierte, nicht populistische Debatte wünschenswert und ich würde mich freuen, wenn Neustadt von Barcelona oder Paris lernt.

Katrin Schuh